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Internationaler Workshop: Espaces du cosmopolitisme aux XVIe et XVIIe siècles / Räume des Kosmopolitismus in der Frühen Neuzeit

Jörg Dünne und Dorine Rouiller (Berlin, 9.-11.9.2021)


Das kosmopolitische Denken nimmt seinen Ursprung in der (zynischen und dann stoischen) Philosophie der Antike. Viele Autoren der Frühen Neuzeit nehmen es wieder auf und adaptieren es im Hinblick auf den geographischen Kontext ihrer Zeit und auf die neuen von den „Großen Entdeckungen“ abstammenden europäischen Raumvorstellungen. Zwei Spielarten vom Kosmopolitismus werden in der Frühen Neuzeit miteinander in Spannung gesetzt: einerseits ein „distanzierter Kosmopolitismus“ in stoischer Tradition, der einem rationalistischen Denken den Weg bereitet, indem er die Welt als eine große homogene Stadt betrachtet, die man sich als Ganzheit ohne Grenzen vorstellt, und andererseits ein „topophiler Kosmopolitismus“, der die Welt als eine große, diesmal heterogene Stadt betrachtet, in der der „Weltbürger“ sich bewegen und sich an die Unterschiede jeder Region mit Neugier anpassen kann – dies erfordert ein Bewusstsein der kulturellen Relativität, die durch eine skeptische Philosophie oft ermöglicht wird, wie z.B. bei Michel de Montaigne.
Emblematisch dafür ist die Darstellung der Erde auf frühneuzeitlichen Karten wie z.B. dem bekannten „Typus orbis terrarum“ von Abraham Ortelius : Man kann die Weltkarte in stoischer Tradition als „kosmographische Meditation“ lesen, die zur Distanzierung von der Welt einlädt, aber auch umgekehrt als Aufforderung, sie sich in ihren topographischen Merkmalen und Unterschieden genauer anzusehen bzw. sie zu bereisen.
Mit „Räume des Kosmopolitismus“ meinen wir daher nicht „kosmopolitische Räume“ im modernen Sinne von Orten, die verschiedene Kulturen zusammenbringen, sondern wir möchten zur alten Bedeutung des Begriffs zurückkehren, die eine bestimmte Beziehung des Individuums zur Welt bezeichnet. Wir interessieren uns also für die verschiedenen Darstellungen des Raumes, aus dem sich die kosmopolitische Haltung entfaltet, sei es nun imaginiert oder in die Praxis umgesetzt; oder, kurz gefasst: für die verschiedenen „Welten“, in denen sich der Kosmopolit als Bürger fühlt.
Mögliche Fragen, die in den Beiträgen des Workshops behandelt werden könnten:

  • In welchen literarischen Figurationen äußert sich diese räumliche Spannung und in welch unterschiedlicher Weise wird dabei jeweils auf Welt als kosmos/mundus/globus sowie auf zeitgenössische Raumpraktiken bzw. Medien der Raumdarstellung Bezug genommen?
  • Welche menschlichen Akteure profilieren sich in der Frühen Neuzeit als mögliche ‚Kosmopoliten‘ (evtl. auch ohne explizit als solche bezeichnet zu werden) – sind es Reisende, Pilger, Diplomaten, Siedler, Missionare, Händler, Astronomen, Kosmographen, Philosophen… und gibt es dabei explizite Rückbezüge auf den antiken Kosmopolitismus, z.B. auf die Figuren des Diogenes oder des Sokrates?
  • Besitzt der frühneuzeitliche Kosmopolitismus vergleichbare politische Implikationen wie dies für die moderne Begriffsverwendung seit Kant gilt bzw. wie dies in gegenwärtigen kulturtheoretischen Ansätzen zu „Kosmopolitiken“ (Stengers, Latour) hervorgehoben wird – oder gilt es den frühneuzeitlichen Kosmopolitismus vom demjenigen seit der Aufklärung streng abzugrenzen?
  • Welche Figurationen kosmopolitischer Akteure und Räume des Kosmopolitismus erscheinen in der Frühen Neuzeit in den einzelnen Literaturen der Romania und welche Rolle spielt dabei insbesondere der europäische Humanismus in erasmistischer Tradition?
  • Welche Formulierungen eines kosmopolitischen Denkens erscheinen in den Texten der Zeit, in welchen Gattungen kommen sie vor, wer (Autor, Figur...) äußert sie, welchen Platz hat den Leser dabei, usw.?

Der Workshop findet in deutscher und französischer Sprache statt. Aufgrund der geltenden Pandemiebestimmungen ist eine persönliche Teilnahme nur eingeschränkt und nach Kontaktaufnahme mit den Organistor*innen möglich.

[Programm folgt in Kürze]