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Die Romanistik an der HU in der DDR

Studieren in der DDR - Rita Schober und die HU-Romanistik - Einblick in ein Vorlesungsverzeichnis


Studieren in der DDR

Grundsätzlich galt das Studium in der DDR als ein Elitestudium, da nur eine Handvoll Schülerinnen und Schüler ausgewählt wurde, die einen komplexen Bewerbungsprozess durchlaufen mussten. Der Bewerbungsprozess beinhaltete schriftliche und mündliche Prüfungen in den Weltsprachen Russisch, Englisch, Französisch sowie Spanisch, überdurchschnittliche Noten, die obligatorische Erklärung der Treue zur DDR sowie der Freundschaft zur Sowjetunion und zu anderen sozialistischen Ländern.
Mit der Auswahl der Studenten wollte die SED einerseits jeden „bürgerlichen“ Einfluss ausschalten und ihre eigene akademische Elite schaffen. Andererseits war die Zulassung zum Studium ein wirkmächtiges Mittel, um ganze Generationen von Abiturienten zu disziplinieren.

Auch der Studienzugang in der DDR war planwirtschaftlich organisiert. Ein wichtiger Aspekt dabei war z.B., dass die Kinder von Bauern und Arbeitern bei der Immatrikulation bevorzugt wurden. Diese sollten vorzugsweise eine sozialistische Grundeinstellung haben und Parteikonform sein. Ziel des Staates war es nämlich, parteiloyale Akademiker auszubilden.

Dennoch war dies nicht der einzige Faktor, der Auswirkungen auf die Studiengänge hatte. Während der DDR mussten alle Studierenden fachlich und terminlich auf einem Niveau bleiben, da die Planwirtschaft es nicht anders erlaubte. Dies war aber nicht die einzige Konsequenz der Planwirtschaft. Nicht wenige Kandidat:innen wurden ins Studium nicht aufgenommen, weil die Universitäten nicht über die ausreichende finanzielle Kapazitäten verfügten. Ein wichtiges Kriterium für die Aufnahme war daher der Numerus Clausus: Bewerber:innen, die nicht so gute Noten hatten, wurden über Umlenkungsmaßnahmen in den Studiengängen immatrikuliert, in denen es Mangel gab.

Bis 1966 waren Sektionen für Ökonomie, Geschichte, Literatur, Philosophie und Sprachlektorate gebildet worden. Die Studierenden konnten in fünf Jahren ein Diplom machen, wenn sie das intensive Studium erfolgreich bewältigen konnten. Somit konnten die Absolvent:innen im Bereich Staatlicher Rundfunk, Fernsehfunk, Liga für Völkerfreundschaft, Kammer für Außenhandel, Presse, VHS, Institut für Weltwirtschaft, Institut für vergleichendes Recht in Potsdam, Verlagswesen, Ministerium für Staatssicherheit, Auswärtiger Dienst (mit Zusatzausbildung in Babelsberg), als Dolmetscher:innen und Übersetzer:innen (teilweise schon als Studienpraktika) bei der Betreuung von ausländischen Facharbeitern und Delegationen im Inland oder bei internationalen Einsätzen im Ausland arbeiten.

 


Rita Schober und die HU-Romanistik zur Zeit der III. Hochschulreform

Wenn man von der Entwicklung der HU Romanistik während der DDR spricht, ist ein Name unabdingbar: Rita Schober. An der HU wurden im Zuge der III. Hochschulreform von 1965-1971 aus zuvor 169 Instituten 26 Sektionen gebildet (vgl. Lambrecht 2007: 178), darunter die „Sektion Philologien/Germanistik“, die sich ihrerseits wiederum in Sprach- und Literaturwissenschaften untergliederte. 1973 wurde diese Großsektion wieder aufgelöst und eine Sektion Anglistik/Romanistik eingerichtet, eine Organisationsform, die es vor der Ausdifferenzierung der Fächer Ende des 19. Jahrhunderts gegeben hatte. Diese Ausdifferenzierung ist Rita Schobers Engagement zu verdanken, die „ihren Einfluss auf ZK-Ebene geltend gemacht hatte“ (Bott 2010: 487).

Rita Schober meint dazu:

„Dass ein kleines Fach wie die Romanistik, deren Hauptsprache Französisch in den Schulen, noch dazu gegenüber dem Englischen zurückging, im Verein mit der nationalen Philologie Deutsch und der primären Fremdsprachphilologie Slawistik in Bezug auf Etat und Stellen ins Hintertreffen geriet, war unvermeidlich.“ (zit. nach Asholt 2018: 24)

Rita Schober weiter zu Ihrem Einsatz für die HU-Romanistik:

„Bis 1969 hatte ich mich bemüht, die Romanistik an der HU auf- und auszubauen. In den nächsten Jahren betrachtete ich es vor allem als meine Aufgabe, ihre Etablierung als selbstständige Sektion durchsetzen zu helfen. Einer Sektionsleitung habe ich nie angehört. Wenn die 1980 gegründete Sektion für Romanistik an der HU bei der Wende 1989/90 als einzige der DDR in den Hauptfächern funktionsfähig überführt werden konnte, so ist dies [...] auch dem Umstand zu danken, dass die Hauptfächer, außer Portugiesisch, bis 1969 bereits im Romanischen Institut etabliert worden waren. Und das, wie ich mit einem gewissen Stolz sagen möchte, mit dem eigenen wissenschaftlichen Nachwuchs.“ (zit nach: ebd.)

 


Einblick in das Vorlesungsverzeichnis der HU-Romanistik im Herbstsemester 1966/67

Durch Anklicken der Abbildungen werden diese vergrößert dargestellt.

(Zu weiteren Einblicken in die Geschichten der Vorlesungsverzeichnisse vgl. auch die Ergebnisse der Arbeitsgruppe zur Geschichte des Curriculums.)

 

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Verwendete Literatur:

Bott, Marie-Luise (2010): „Zentralstaatlich gelenkte Erneuerung der Philologien in der DDR: Anglistik, Romanistik und Slawistik an der Humboldt-Universität“. In: Heinz-Elmar Tenorth (Hg.): Geschichte der Universität Unter den Linden 1810–2010. Band 6: Selbstbehauptung einer Vision. Berlin: Akademie-Verlag, 461-508.

Franzbach, Martin (1997): „Die Anfänge der Lateinamerikanistik in der DDR“. In: Iberoamericana 21/2 (66), 1-11.

Lambrecht, Wolfgang (2007): „Neuparzellierung einer gesamten Hochschullandschaft. Die III. Hochschulreform in der DDR (1965-1971)“. In: die hochschule 2: Reform des Studiensystems. Analysen zum Bologna-Prozess, 171-189.

Röseberg, Dorothee (2018) (Hg.): Rita Schober – Vita. Eine Nachlese. Ediert, kommentiert und mit Texten aus Archiven und dem Nachlass erweitert. Tübingen: Narr.

Asholt, Wolfgang (2018): „Rita Schober und die Entwicklung der Romanistik im 20. Jahrhundert“. In: Sitzungsberichte der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin 136, 11–29.

Vorlesungsverzeichnisse aus den Jahren 1937/38-1967/68: https://edoc.hu- berlin.de/handle/18452/393.

 


Maria Inés Groß, Melanie Rosas Hernandez & Josip Serdarusic